"Ijon Tichy: Raumpilot"
An der Zielgruppe vorbeiproduziert ?
von Markus Wolf
Ijon Tichy, der etwas chaotische Raumpilot, der auch ein enger Verwandter des für seine wahren Geschichten bekannten Baron von Münchhausen sein könnte, ist eine Figur aus den „Sternentagebüchern“ des im letzten Jahr verstorbenen polnischen Autors und Philosphen Stanislaw Lem (1921-2006). Nach dem schon zweimal verfilmten „Solaris“ des Autors, findet jetzt auch Ijon Tichy sein Weg vom geschriebenen Wort zur visuellen Ausstrahlung im Fernsehen.
Gerade vom deutschen Fernsehen ist man in den letzten Jahren nicht mehr gewohnt, daß die Macher sich einmal an eine Science Fiction-Serie herantrauen, die sogar eine Literaturvorlage aufweisen kann und nicht eine Kopie bekannter amerikanischer Serien ist, sondern mit eigenen Idee kommt. Aber gerade in der Reihe „Das kleine Fernsehspiel“ des ZDF, in dessen Rahmen jetzt auch die Serie „Ijon Tichy: Raumpilot“ ausgestrahlt wird, konnte vor einigen Jahrzehnten mit einigen Klassikern der phantastischen Serien aufwarten, wie zum Beispiel Rainer Erlers Serie „Das blaue Palais“ oder seine Filme „Operation Ganymed“ und „Fleisch“, die auch gerade in der Szene hoch anerkannt waren. Allerdings scheint das ZDF wohl selbst nicht ganz von dem Erfolg der neuen Serie überzeugt zu sein oder warum legt der Sender die sechs 15 minütigen Episoden auf einem Montagmorgen kurz nach Mitternacht, bei dem der arbeitende Zuschauer im Regelfall was Besseres vorhat, als Fernsehen zu gucken? Das ist auch dem Produzenten Karsten Aurich wohl negativ aufgefallen, wie man in einem Interviewgespräch so nebenbei erfährt, als er nach der Zukunft der Serie gefragt wird. Zitat: „Außerdem wurde angemerkt, dass die Prozytianer eine bessere Über*tragungs*zeit wünschen und das die erste Staffel “Ijon Tichy: Raumpilot” erst in 478 Galaxien zu empfangen ist. Da geht doch noch was.“
Nun, nach den ersten beidenTrailer zur Serie war ich doch recht skeptisch, ob die Serie ihr Zielgruppe findet, wobei ich mich dann fragte, wer die Zielgruppe für die Serie sein könnte: Sind es die SF- und Stanislaw Lem-Fans, die Fans der Comedy oder ist die Serie auf jemand ganz anderem ausgerichtet.
In der Vorschau fliegt Ijon Tichy (Oliver Jahn) mit seiner Drei-Zimmer-Rakete durch das All, dessen seine einzige Begleitung das selbstgebaute Hologramm „Analoge Halluzinelle“ (Nora Tschirner) ist, eine Figur, die in Lems Version nicht vorkam und eigens für die Serie hinzuerfunden wurde und erlebt viele skurrile Abenteuer mit noch skurrileren Wesen.
Das die Innereien des Schiffes einem Drei-Zimmer-Single-Haushalt heutigen Datums sehr ähneln liegt daran, dass hierbei in der Berliner Altbauwohnung von Oliver Jahn selbst gedreht wurde, bzw. die Idee aus den beiden Studentenfilme des Regisseurtrios Oliver Jahn, Dennis Jacobsen und Randa Chahoud von 1998 mit übernommen wurde. Die Tricks und Sets wurden absichtlich billig gehalten um wohl die Lügengeschichten des Ijon Tichy zu untermauern. Warum aber Oliver Jahn dem Charakter dabei unbedingt einem „osteuropäischen“ Dialekt noch verpassen musste, war mir unverständlich und versprach mir aus der Vorschau ein Holzhammerhumor der modernen Comedysendungen.
Das würde meiner Meinung nach den Lem-Fans wohl nicht ganz so gefallen, jungen Fans von Science Fiction-Serien würde wohl das Design abschrecken und dem normalen ZDF-Zuschauer wäre wohl alles ein wenig abgedreht. Nora Tschirners Charakter wirkt ein wenig wie die attraktive Kopie zu dem Hologramm „Andromeda“ (Lexa Doig) aus der gleichnamigen US-Serie. Und im Allgemeinen überkam mich bei dem betrachten der Trailer das Gefühl, als würde hier versucht eine schlechtere, deutsche Kopie der BBC-Serie „Hitchhikers Guide to the Galaxy“ ins Programm zu bringen.
Aber vielleicht liege ich auch ganz falsch und die Serie ist wider erwarten doch recht amüsant, erfolgreich und findet seine Fans. Allerdings wird wohl meiner Meinung nach die Sendezeit dafür sorgen, dass es wohl mehr ein Insider wird und bei den restlichen Zuschauern doch recht untergeht.
Eigentlich finde ich es schade, dass sich das deutsche Fernsehen nicht mal wieder traut, eine gute, intelligente und anspruchsvolle Phantastik-Verfilmung zu bringen, sich wieder auf Experimente einzulassen, als auf immer die gleichen Inhalte zu setzen und ausländische Sachen zu kopieren. Gerade die öffentlich-rechtlichen zeigten damals sehr gute Phantastik-Verfilmungen, wie zum Beispiel „Das Millionenspiel“, „Welt am Draht“, „Die Hamburger Krankheit“ und die schon vorher angesprochenen Rainer Erler-Filme. Vorlagen aus dem Bereich der Literatur gibt es ja genug und das nicht nur aus dem amerikanischen Raum.
Aber zurück zum Thema: Ich konnte heute die erste Episode der Serie mit dem Titel „Kosmische Kollegen“ in der ZDF-Mediathek begutachten, welche die Folgen kostenlos schon eine Woche vorher als Streambeitrag bringt, bevor sie im Fernsehen gesendet werden (also eine Alternative für den Otto-Normalarbeiter mit Internetanschluss und guter Verbindung !) und bestätigte nicht ganz so meine oben beschriebenen Bedenken. Die Abenteuer des Raumpiloten mit seinem Haushaltsroboter und den gefräßigen Kulupen war doch stellenweise recht amüsant und hatte seinen Charme. Allerdings konnte ich mich immer noch nicht mit dem gekünstelten Dialekt von Oliver Jahn als Tichy anfreunden. Aber die Serie ist schon echt sehr schräg und ich werde sie noch im Auge behalten, allerdings wohl mehr für einen sehr kleinen Kreis der Zuschauer des Senders wohl weiterhin interessant. Aber wer weiß...
Bei entsprechendem Erfolg der Reihe haben die Macher der Serie laut deren Aussage in Interviews noch einige Ideen für weitere Folgen parat:
>>Zum ZDF-Interview
Bewertung:
Als Lesezeichen weiterleiten