Sagt wer?
Für mich ist nicht nur aus pragmatischen, sondern auch aus moralischen Beweggründen das Recht eines Menschens auf Leben (durch Organspende in diesme Fall) höher zu gewichten als das Recht eines Menschens, unbedingt Organe im eigenen Leichnahm behalten zu wollen. Sicherlich ist eine solche Abwägung von Rechten moralisch nie einwandfrei zu gestalten, dennoch sind sie in der modernen Medizin täglich gelebter Alltag - viele Bereiche der heutigen Medizin wie Tierversuche, aktive und passive Sterbehilfe, Stammzellenforschung oder die Abtreibungsgesetze sind Kompromisse und Rechtsabwägungen die sich allesamt in einer moralischen Grauzone befinden.
Davon einmal abgesehen sehe ich hier nach wie vor kein echtes Problem. Sollte jemand tatsächlich z.B. aus religiösen Gründen keine Organspende durchführen wollen, kann dies ja einfach verweigert werden - und schon ist das moralische Dilemma gelöst.
Bei der Umkehr der Widerspruchsregelung geht es ja nicht darum, Spendeverweigerer zum Spenden zu zwingen, sondern die große Zahl aus Menschen die schlichtweg zu faul sind sich mit Organspende zu beschäftigen als potenzielle Spendergruppe zu erschließen - diese liegt momentan völlig brach. Schon rein was die Nachfrage angeht würden die Organe von Verweigerern dann gar nicht mehr benötigt, da bereits mehr als genug vorhanden wären.
Hier irrst Du, denn diese Furcht ist unbegründet.ich denke übrigens, dass es nicht überwiegend idealistische gründe sind, weshalb menschen ihre organe nicht spenden wollen. deshalb sollte man nicht immer wieder dieser gruppe die meisten vorwürfe machen. wobei vorwürfe bei einem so sensiblen thema wie gesagt sowieso quatsch sind.
der hauptteil der organspende-verweigerer wird dies wahrscheinlich aus unsicherheit oder informationsmangel tun. und selbst, wenn man dann infomiert wird, bleibt immer noch ein restzweifel: wird mit meinen organen wirklich so verfahren, wie ich es festgelegt habe? steigt das risiko, dass man mich schneller für tot erklärt, weil ich als ersatzteillager wertvoller bin?
ich kann diese zweifel sehr gut verstehen, denn eine medizin, die oftmals schon lange nicht mehr allein die gesundheit des menschen, sondern vor allem seinen geldbeutel im sinn hat, löst nicht gerade vertrauen aus. außerdem gibt es immer wieder fälle, die deutlich zeigen, dass ärzte nur ungern fehler zugeben und lieber die tatsachen verdrehen, um ihren eigenen blütenweißen kittel vor einer klage zu retten.
ärztepfusch? ich kenne hier leider sehr viele beispiele aus meinem bekanntenkreis, bei denen das zu schlimmen komplikationen bis hin zum tod geführt hat. die ärzte selbst mussten in den meisten fällen deshalb keine konsequenzen tragen. mit diesen erfahrungen im hintergrund (da bin ich sicher nicht der einzige, der sowas schon erlebt hat), fällt es nicht gerade leicht, der medizin sein vertrauen bzw. seine organe zu schenken.
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Unser Problem beim derzeitigen System ist ja nicht, dass Ärzte zu viel und zu sorglos Organe entnehmen, sondern das genaue Gegenteil: Ärzte haben oft eine regelrechte Verweigerungshaltung gegenüber der Organentnahme, selbst wenn der Verstorbene diese ausdrücklich erwünscht. Denn die Ärzte eines Krankenhauses haben davon nichts, sie bekommen keine zusätzlichen Vergütungen oder sonstige Boni dafür - außer zusätzlichem Papierkram und möglichen Streitigkeiten mit Angehörigen. Dieser zusätzlichen Arbeit und Stress möchten sich nur wenige der ohnehin überarbeiteten Krankenhausärzte aussetzen - daher werden die Angehörigen eines Vestorbenen meist zur Verweigerung der Organspende bewegt.
Würden unsere Ärzte alle Organentnahmen durchführen zu denen sie bereits heute berechtigt sind, gäbe es das Problem des Organmangels gar nicht in diesem Ausmaße. Die Umkehr der Verweigerungsregelung soll hier erst mal einen Bewusstseinswandel bei Ärzten und Bevölkerung schaffen - in anderen Ländern hat dies offensichtlich sehr erfolgreich funktioniert, und viele Leben konnten gerettet werden.
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