Chrysalis nimmt ja so ziemlich alle Handlungsfäden aus der ersten Staffel wieder auf und endet in mehrfacher Hinsicht als Cliffhanger.

Gleich zu Beginn eskalieren die zunehmenden Spannungen zwischen Narn und Centauri: Die Narn halten sich nicht mehr an die unter Zwang geschlossenen Verträge und greifen von einer Militärbasis im Quadranten 37 unprovoziert Centauri-Schiffe an. Als Londo sich gezwungen sieht, um des lieben Friedens Willen nachzugeben, wird er von Morden kontaktiert. Bei einem bezeichnenderweise im Irrgarten stattfindenden Treffen erhält er von ihm ein "Hilfsangebot": Morden bietet an, dass sich seine "Associates" um das Problem im Quadranten 37 "kümmern" werden. Londo sei ein Mann von "großem Potenzial" (wozu, spezifiziert er nicht näher), der in seiner Position nicht genug Wertschätzung erfahre. Londos Reaktion zeigt wieder einmal seine Frustration, und dass er glaubt, dass er nichts bewirken könne. Als Londo nach dem Preis für diese Hilfe fragt, erfährt er, dass es keinen Preis gibt, er nur vielleicht eines Tages um einen "Gefallen" gebeten wird. Londo ist kein Dummkopf und sollte eigentlich bei Hilfsangeboten ohne Preis misstrauisch werden – er scheint aber das Angebot nicht hundertprozentig ernst zu nehmen. Aus seiner Reaktion ist jedenfalls klar, dass er Morden und seinen "Associates" nicht allzu viel zutraut. Dass seine Aktionen etwas verändern können, glaubt er ja ohnehin nicht (Vir scheint diese Haltung im Übrigen zu teilen). So kommt es, dass er die Bedeutung dieses Pakts und die Entwicklungen, die er da in die Wege leitet, katastrophal unterschätzt. Londo ist ein Beispiel für die Gefahr, durch die eigenen Aktionen katastrophale Veränderungen hervorzurufen, sofern man sich für zu unbedeutend hält und die eigene Macht zur Veränderung nicht erkennt. Als Londo von der Art und Weise hört, wie Mordens "Associates" das Quadrant-37-Problem gelöst haben, ist er zunächst schockiert, scheint aber seine eigene Verantwortlichkeit in dieser Sache nicht wirklich zu realisieren.

Mit dieser Episode sind Londo und die Centauri endgültig von Opfern zu Aggressoren geworden. Umgekehrtes gilt für die Narn. Als Sinclair G’kar aufsucht mit der Aufforderung, seine Aktionen zu überdenken und seine Entscheidungen "weise" zu treffen, reagiert mit einer ähnlich fatalistischen Haltung wie Londo: "We all do what we have to". Im Unterschied zu Londo erkennt er jedoch, dass die jüngsten Ereignisse über den Narn-Centauri-Konflikt hinausgehen und dass hier eine bisher unbekannte Macht mit ganz anderen Motivationen am Werk ist.

In einem anderen Handlungsstrang werden die u.a. aus "Survivors" bekannten politischen Probleme des Erd-Präsidenten Santiago und geplanten Attentate auf sein Leben wieder aufgenommen. Garibaldi erhält eine Warnung über einen bevorstehenden Mordanschlag und versucht, der Sache auf den Grund zu gehen. Als er schließlich dahinter kommt, dass ein Anschlag auf Santiago bei dessen Ankunft am Transferpunkt Io geplant ist, wird er von seinem eigenen Stellvertreter hinterrücks angeschossen – man erinnert sich Boxer Walker Smiths Worte in "TKO": "You never did know how to watch your back"; außerdem erklären diese Neuigkeiten über Garibaldis Stellvertreter, wie in "The Sky Full of Stars" Sinclair aus seinem Quartier entführt werden konnte. Die Sache mit der unregistrierten Spezialagenten-Waffe deutet darauf hin, dass hier nicht ein einfacher Sicherheitsmann am Werk ist, sondern etwas Größeres dahintersteckt.

Delenn baselt unterdessen in ihrem Quartier ihr Kristallgebilde fertig. Sie hat Zweifel über einen offenbar sehr wichtigen Schritt, der ihr bevorsteht, und ihre Entscheidung scheint von einer Information Koshs abzuhängen. Sie sucht ihn auf, und Kosh gibt sich ihr zu erkennen - dem Zuschauer dagegen nicht . Im Anschluss bittet sie Sinclair, sie aufzusuchen. Sinclair, von den aktuellen Geschehnissen aufgehalten, kommt zu spät – Delenn ist bereits in ihrem Kokon, und Klarheit über die verlorenen 24 Stunden hat er immer noch nicht.

Nicht nur wegen der gelungenen Art, wie hier die vielen Handlungsfäden aus Season 1 zusammengesponnen und weitergeführt wurden, finde ich Chrysalis eine hervorragende Episode. Auch die Botschaft, die vor allem in Londos, aber auch in G'kars Verhalten herüberkommt ("wider den Fatalismus") wurde hier sehr schön eingeflochten. Sie ist spannend, und es wurden genügend neue Rätsel und Fragen aufgeworfen, die Lust auf Season 2 machen. Für mich die beste Folge von Season 1 und eine der besten insgesamt. 5/5.