"Der Kapitalismus basiert auf der merkwürdigen Überzeugung, dass widerwärtige Menschen aus widerwärtigen Motiven irgendwie für das allgemeine Wohl sorgen werden." - John Maynard Keynes

Das Problem des modernen Kapitalismus ist die Perfektion einer Illusion. Der Illusion von Freiheit und Selbstbestimmung. Schon in der Schule wird uns eingetrichtert, dass wir alles erreichen können, wenn wir uns nur genügend anstrengen und ausreichend lernen. Dass im wirklichen Leben gut bezahlte Jobs Mangelware sind und eben nicht jeder Professor, Chefarzt oder Topmanager werden kann, das wird von Pädagogen gerne verschwiegen. Dass sogar ein Großteil der arbeitenden Bevölkerung als Fliessbandarbeiter, Putzfrau, Müllmann oder Altenpfleger arbeiten muss, erzählen uns die Politiker nicht.

Die Wahrheit, dass es nämlich in unserer Gesellschaft wenige zum Gewinner schaffen, viele dafür aber zu den Verlierern gehören, ist nirgendwo zu hören. Von der Schuld des Einzelnen wird aber umso mehr gesprochen. Man habe sich nicht genug angestrengt. Sei halt nicht begabt oder durchsetzungsfähig. Das man auch noch selber Schuld sei, auf der Verliererseite zu stehen. Dass wird dem Volk glaubhaft gemacht. Und zwar über zwei Fehlurteile:

1. Der Erfolg hängt von der eigenen Leistung ab.
Ob man aus einem Leistungsvergleich als Sieger oder Verlierer hervorgeht, hängt nur sehr mittelbar von der eigenen Leistung ab. Vielmehr steht die eigene Leistung in einer Relation bzw einem Vergleich mit der Leistung der Mitkonkurrenten. Und deren Leistung kann man nicht beeinflussen. Und das bei einer schulischen Selektion oder bei der Bewerbung um einen Arbeitsplatz eine bestimmte Quote an Verlierern bereits im Vorfeld feststeht ist auch klar. Ein Job, viele Bewerber. Also noch mal: ich habe keinen Einfluss auf die Zahl der Subjekte (Jobs) um die ich konkurriere, ich habe keinen Einfluss auf die Bewertungskriterien, die für deren Vergabe festgelegt werden, und ich habe keinen Einfluss auf die Leistungen der Mitbewerber. Und doch soll ich allein durch meine eigene Leistung den Erfolg bestimmen können?

2. Leistung ist eine Frage der Leistungsfähigkeit.
Jetzt hat man natürlich erkannt, dass es durchaus Menschen gibt, die sich trotz großer Anstrengungen in einem Leistungsvergleich nicht durchsetzen können. Für diese Menschen hat man sogleich eine neue Erklärung parat: sie sind durch Veranlagung nicht in der Lage genug zu leisten. Man nennt das gemeinhin mangelnde Begabung oder Intelligenz. In Wirklichkeit wird die Verantwortung für das Versagen wieder auf das Subjekt übertragen. Nicht die Lehrer haben versagt, die einem etwas nicht verständlich machen konnten. Nein. Hier hat der Schüler selber die Schuld, da er geistig nicht in der Lage sein soll zu verstehen. Er versagt, also ist er ein Versager. Von Natur aus. Da hat Gott der kapitalistischen Gesellschaft aber einen großen Gefallen getan. Wie sollten wir lauter Einsteins bezahlen. Und verdammt, wer würde dann unsere Straßen kehren ?


"Eine der schauerlichsten Folgen der Arbeitslosigkeit ist wohl die, dass Arbeit als Gnade vergeben wird. Es ist wie im Kriege: wer die Butter hat, wird frech." - Kurt Tucholsky

Ein zweites Problem hat der moderne Kapitalismus den Menschen beschert: die Massenarbeitslosigkeit. Durch den Fortschritt der Technologie werden viele Arbeiten, die früher von Menschen ausgeführt wurden, automatisiert. Ganze Firmen werden „Rationalisiert“, d.h. Personal(-kosten) werden eingespart, Menschen entlassen. Das hat für den Kapitalisten zwei Vorteile:

1. Der Gewinn wird Maximiert.
Die Gewinnmaximierung hat schon längst die gesamtgesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen abgelöst. Sie wird besonders in Aktiengesellschaften zur einzigen Unternehmensphilosophie. Wo immer mehr und mehr erwirtschaftet werden muss, wo nicht der Gewinn sondern nur die Gewinnsteigerung zählt, wird der Mensch zum bloßen Kostenfaktor.

2. Arbeitnehmerrechte werden abgebaut.
In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit, wo der Mensch nur als Kostenfaktor gesehen wird, drängen die Unternehmen und deren Nutznießer auf eine Senkung der Personalkosten und Abschaffung von Arbeitnehmerrechten. Und die Arbeitnehmer arbeiten freiwillig mehr, verzichten auf Lohn und geben Mitbestimmungsrechte auf. Neue Arbeitsformen entstehen: Leiharbeiter, 1 € Jobber, Daueraushilfen und Dauerpraktikanten. Alles aus Angst vor Arbeitslosigkeit und Harz IV.


"Im Kapitalismus beutet der Mensch den Menschen aus, im Kommunismus ist es genau umgekehrt." - Benjamin Tucker

Und was ist nun die Alternative? Der Kommunismus war zwar eine nette Idee, die aber nicht funktioniert hat. Ist der Kapitalismus doch die einzig vernünftige Gesellschaftsform?

Auf jeden Fall läuft etwas schief in unserer Gesellschaft. Und der Kapitalismus wandelt sich in eine Form der Diktatur. Der Diktatur des Kapitals. Der Diktatur des mehr besitzen als…, des schöner sein als…, des schlauer sein als …
Wo viel nicht genug, und das Mehr zum höchsten Ziel wird, stimmt etwas nicht mit unserer Einstellung.

Es ist nie falsch, sich Gedanken über eine bessere Gesellschaft zu machen!
Lasst uns heute damit beginnen.


"Der Kapitalismus hat nicht gesiegt. Er ist bloß übrig geblieben." – Graffiti an der Universität Leipzig, 1990