Als Tashina aus ihrem tiefen, traumlosen Schlaf erwachte, lag sie seitlich irgendwo im Schatten, denn sie merkte, daß die Sonne nicht mehr auf sie herunter brannte. Sie war also nicht tot. Ihr Blick fiel auf ihre Hände, die in Augenhöhe vor ihr lagen und die nicht mehr gefesselt waren. Ihre Schürfwunden waren sogar verbunden worden.. Was hatte das alles zu bedeuten?
Sie richtete sich auf und sah, daß sie auf einem Schlaflager in einem Zelt lag. Wo war sie bloß und was um alles in der Welt war eigentlich passiert? Das letzte, an das sie sich erinnert konnte war, daß sie wieder in ihrem Wald gewesen war und daß die Sklavenjäger sie dort aufgespürt hatten. Sklavenjäger? In ihrem Wald? Irgendwas konnte da nicht stimmen.
Die Zeltplane vor ihr wurde zurückgeschlagen und ein Mann steckte den Kopf hinein. Sein Gesicht war vom Wetter gezeichnet. Als er sah, daß Tashina wach war zog er den Kopf wieder zurück und verschwand. Sie hörte ihn aber in der fremden Sprache etwas rufen.
Tashina bekam Angst. Dieser Mann würde die Sklavenhändler rufen um ihnen mitzuteilen, daß sie wieder bei Bewußtsein war. Hastig stand sie auf, aber sofort traf sie ein stechender Schmerz im Kopf und ihr wurde schwindlig. Sie fiel wieder auf die Knie. Sie mußte sich sogar mit den Händen abstützen.
Die Zeltplane wurde erneut zurückgeschlagen und drei Männer kamen ins Zelt. Einer davon war der Mann, der vorhin schon ins Zelt gesehen hatte. Die anderen beiden Männer kannte sie nicht. Also waren es zumindest keine von den Sklavenhändlern, vor denen sie geflohen war. Egal was jetzt kommen würde, sie fühlte sich zu schwach um Widerstand zu leisten. Jetzt war alles aus.
Die Männer blieben einfach im Zelteingang stehen und machten keinerlei Anstalten ihr etwas zu tun, trotzdem kroch Tashina rückwärts von ihnen weg.
"Ganz ruhig! Wir wollen Dir nichts tun." sagte einer der Männer.
Tashina sah ihn erstaunt an. Er sprach ihre Sprache?
Jetzt erkannte sie, daß seine Haut nicht so dunkel war wie die der anderen beiden Männer.
"Du verstehst mich doch oder?" sprach dieser sie wieder an.
Tashina nickte nur. Sie wusste nicht, ob sie sich freuen sollte, oder ob sie noch vorsichtiger sein sollte.
Der ging vor ihr in die Hocke.
"Du brauchst wirklich keine Angst vor uns zu haben. Wir werden Dir helfen. Wo kommst Du überhaupt her?"
Tashina schwieg. Sie wollte erst mal abwarten, wie sich das ganze entwickeln würde.
„Hm“ meinte der Mann „du willst also nicht mit uns reden?“
Tashina sah ihn nur an.
„Weißt du, daß du verdammt viel Glück hattest, daß wir hier entlang geritten sind. Was machst Du hier alleine in der Wüste?"
Tashina blickte zu Boden.
„Du bist doch nicht etwa von einer Sklavenkarawane geflohen?“
Aufgeschreckt durch diese Frage, sah sie den Mann wieder an. Jegliche Vorsicht war vergessen. Er wusste es.
„Woher ....“ dann stockte sie, als sie den Anflug eines Lächelns auf seinem Gesicht bemerkte. Er hatte es nicht gewusst und sie war in die Falle getappt.
„Nur eine Vermutung.“ erwiderte Mann in freundlichem Ton. „Es kommt nicht oft vor, dass man jemanden halbverdurstet mitten in der Wüste findet. Da liegt diese Schlussfolgerung ja nahe.“
Tashina schluckte. „Was habt ihr nun mit mir vor?“
„Nun. Wir nehmen dich erstmal mit zur nächsten Siedlung. Hier in der Wüste können wir dich ja nicht zurück lassen.“ erwiderte der Mann.
„Zur nächsten Siedlung?“ fragte Tashina misstrauisch. „Ihr werdet mich doch nicht zu den Sklavenhändlern zurückbringen?“ Gleich nachdem sie diese Frage ausgesprochen hatte, wollte sie sich auf die Zunge beißen. Wie konnte sie nur so dämlich fragen. Damit brachte sie die Männer womöglich noch auf eine Idee.
"Aber nein!" kam es fast brüskiert zurück. „Du scheinst es auch nicht gewohnt zu sein zu Dienen.“
Jetzt fiel Tashina mit Schrecken ein, dass sie die Anrede vergessen hatte, die man ihr eingebläut hatte. Und wieder hatte sie sich ein Stück weit verraten.
„Wie meint ihr das?“ fragte Tashina und setzte artig das „Herr“ dahinter.
Jetzt lächelte der Mann breiter: "Du brauchst mich jetzt auch nicht mehr Herr zu nennen."
„Es tut mir leid Herr, ich hab mich vergessen“ demütig senkte Tashina den Kopf. Sie würde die Sklavin spielen bis sie in der nächsten Siedlung waren und dann würde sie bei nächster Gelegenheit fliehen.
„Du bist hier keine Sklavin mehr. Also nenn mich nicht Herr“ meinte der Mann.
Am liebsten wollte Tashina sagen, dass sie auch sonst keine Sklavin war, aber sie zügelte sich und fragte: „Aber wie soll ich euch denn sonst anreden ...... Herr?".
"Mein Name ist Niklas, das ist Anwar und das ist Salah." sagte er und zeigt auf die beiden anderen Männer.
Jetzt erkannte Tashina die Männer aus ihrem Traum. Derjenige, der Salah hieß, hatte ihr den Wasserbeutel verweigert.
„Willst du uns nun mehr erzählen? Woher du kommst? Wie du zur Sklavin wurdest, aber vor allem erst mal wie du heißt?“ frage Niklas.

Da Niklas nicht den Eindruck machte, als würde er ihren Ungehorsam mit Schlägen bestrafen erwiderte sie: „Ihr habt mich gerettet und meine Handgelenke versorgt.... aber warum hat Salah mir das Wasser verweigert?“
Überrascht zog Niklas die Augenbrauen hoch und sah zurück zu Salah. Dieser hatte scheinbar nichts verstanden und sah nur ausdruckslos die beiden an. Dann machte Niklas eine Handbewegung und Salah und Anwar verschwanden aus dem Zelt.
„Salah hat dir das Wasser nicht vorenthalten. Vermutlich wolltest du zu gierig trinken und das hätte dir mehr geschadet.“
Das leuchtete Tashina ein.
„Du hast doch bestimmt Hunger?“
Da die Anspannung langsam nachließ, bemerkte Tashina, dass sie tatsächlich Hunger hatte. Sie nickte.
....