Sie produzieren selbst den Polittalk »2+Leif«. Wie, glauben Sie, ist dem allgemeinen Politikfrust zu begegnen?
Wir stellen fest, daß die Parteipolitik unter Vertrauens- und Interessenverlust leidet. Journalisten befleißigen sich, die parteipolitische Agenda im Sesselkreis für die Zuschauer herunterzubrechen, und die geladenen Politiker tanzen dann vor – leider nur interessiert das die Zuschauer kaum. Journalismus hat klammheimlich einen Perspektivwechsel vollzogen: Nicht mehr »fragen, was die Leute interessiert«, sondern »übersetzen, was die Politik verkaufen will«. Denken Sie an die großen politischen Themen der Umwelt-, Anti-AKW- und Friedensbewegung. Die Anti-Nato-Nachrüstungsdebatte, die Frauenbewegung mit dem Abtreibungsthema: Diese Themen waren eben nicht von Parteien gesetzt, sondern wurden ihnen teilweise gegen ihren erbitterten Widerstand aufgezwungen. Mit brutalen Mitteln wie Wasserwerfern und Knüppeln wehrte sich der Staat, diese Themen zu akzeptieren, die Bürgern wirklich wichtig sind und waren. Nun kommen Fernsehjournalisten und verdolmetschen, was sich Marketingstrategen der Parteizentralen ausgedacht haben, worüber diskutiert werden soll. Schalten die Zuschauer ab, liegt das nicht daran, daß sie verblöden: Sie quittieren den Journalisten schlechte Arbeit.
Wandert das Fernsehpublikum nach links, während die Sender konservativer werden?
In Wirklichkeit interessiert keine Sau mehr, ob beim Schonvermögen 0,2 Prozent der Hartz-Empfänger Opas Häuschen doch behalten dürfen oder nicht. Die Leute sagen, das ganze Hartz ist scheiße - doch darüber wird nicht diskutiert. Man beruft Gelehrtenrunden ein, die mit ihren parteipolitisch ausgerichteten Relativierungen diese Debatte verhindern sollen – die Linkspartei wird seltener eingeladen als neoliberale Wanderprediger, die ihre Religion der Habsucht als Wissenschaft bemänteln.
Müßte angesichts der Wirtschaftskrise Courage zur Kapitalismuskritik einkehren?
Aufgabe der Journalisten ist nicht, Dolmetscher der Mächtigen zu sein, sondern Postillon der Regierten. Wer Anstand hat, sollte letzteres umsetzen, denn die Bürger bezahlen uns. Sonst wird es so sein: Will, Plasberg, Beckmann, Illner, Maischberger konkurrieren, wer die tollsten Politiker abgreift. Die Latte des Abgefragten wird stets weiter nach unten gehängt. Motto: Fragst du kritisch, gehen sie zu denen, die weicher nachfragen: 2011 eventuell zu Jauch.
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