Ich habe mich zwar auch, aber nicht nur, an der Person Grass hochgezogen, sondern bin auch auf weitere Aspekte eingegangen.
Das eine persoenliche Fehde zwischen Grass und Reich-Ranicki herrscht hat, meiner Meinung nach, nichts mit einem S/W Denken zu schaffen, sondern ist ein Fakt. Man kann, ohne den Konflikt der beiden alten Herren zur Gaenze aufzurollen, behaupten das beide Personen fern davon sind sich in diesem Leben noch auszusoehnen.
Meiner Meinung nach, sollte man so etwas auch beruecksichtigen wenn sich der einen ueber den anderen, sowie dessen Werke oder Taten, aeussert.

Das Marcel Reich-Ranicki in seiner Zeit beim literarischen Quartett offensive auf trat, laut war und die Kritik im Gewissen Sinne polemisch war, sowie seine Art im Allgemeinen ist, bestreitet niemand. Es ist aehnlich offensichtlich wie die Feststellung das man im Wasser nass wird.
Erstaunlicherweise, ich suchte eigentlich das Bild auf dem Reich-Ranicki ein Buch zerreist, mit den Haenden, nicht mit Worten, fand ich herraus das es Reich-Ranicki selbst nicht bestreitet:
Gibt es im "Quartett" ordentliche Analysen literarischer Werke? Nein, niemals.

Wird hier vereinfacht? Unentwegt. Ist das Ergebnis oberflächlich? Es ist sogar

sehr oberflächlich.
(Marcel Reich-Ranicki in "Mein Leben", Seite 538)

Daraus ergeben sich, im Kontext mit dem Interview Grass, zwei wichtige, zu beruecksichtigende Aspekte.
Da waere die Art wie Grass den bekannten Umstand feststellt. Unabhaengig von dem Vergleich zu anderen Medien, macht er es Reich-Ranicki massiv zum Vorwurf das dieser die Literatur dergestalt trivialisiert das sie, vom ehemals elitaeren Kreis, der breiten Masse zugaenglich wird. Das die Literatur durch diese Oeffnung massiv verliert. Grass unterstellt nicht das Reich-Ranicki es etwa schlecht finden wuerde die Literatur einem erweiterten Publikum zugaenglich zu machen, er verurteilt es selbst. Nicht die Qualitaet der Werke sondern die Oeffnung bzw. Offenheit.
Grass stellt sich auf einen elitaeren Standpunkt als ihn sich Marcel Reich-Ranicki, sei es im literarischen Quartett oder durch seine Schriften, auch nur ansatzweise angemasst hat.
Auf einen Standpunkt, der mich zu der Ueberlegung bringt was fuer ein Menschenbild Grass hat, das er einigen den Zugang zur Literatur verwehren moechte, das Grass der Ansicht ist das es Menschen gibt die fuer den Zugang nicht berechtigt oder geeignet sind. Es heisst zwar das er ueber die eigene Vergangenheit, die er lange verleugnete, hin weg sei, aber da geraet man doch in's zweifeln...

Da waeren zum anderen, die Relation zu Reich-Ranicki's Kritik an den Medien.
Er forderte das die Medien zwar Spass machen sollten und setzte ebendiesen Spass ueber dies hinaus als den primaeren Auftrag der Medien, noch vor der Bildung. Schliesslich ist es dieser Spass, der den Zugang, seiner Argumentation nach, zur Bildung ebnet, oeffnet respektive den Menschen das erleben laesst.
Natuerlich ist die Abgrenzung von Spass, zudem was er als Bloedsinnig empfindet, recht wage und von seinem eigenen Geschmack, seiner Art hinzu, polemisch aufgeladen. Aber nichts desto trotz spricht er sich fuer unterhaltendes Fernseh sowie Medien aus.
Marcel Reich-Ranicki zielt dabei nicht darauf ab, irgendwelche Menschen, aus zuschliessen oder gar zu verurteilen. Im Gegensatz zu Grass glaubt er, oder gibt es zumindest vor zu glauben, daran das Bildungsinhalte in den Medien jedem Zuschauer zugaenglich sind. Das es der Literatur keinen Bruch setzt wenn man dem Zuschauer eine Komoedie von Shakespeare zeigt, das dieser davon nicht ueberfordert sind, das sie nicht salopp gesagt zu dumm sind oder man dem Werk erst Gewalt antun muss.

Ganz im Gegensatz zu Grass oder Gottschlack, wo der erste unterstellt das es eine Suende wider der Literatur ist sie ueberhaupt zu oeffnen und der zweite das es Menschen gibt die einfach zu bloed, daemlich, proleterarisch sind als das sie irgendwas anderes verkraften als Dumm-Dumm Program ala Dschungel-Camp.
Etwas das Reich-Ranicki, in den paar lichten Momenten des Interviews auch anspricht, als er den Programm Chefs den Vorwurf macht das sie ihr Publikum massiv unterschaetzen, das sie ein Menschenbild haben das in sich falsch ist. Das nur wegen dieser Fehleinschaetzung das Programm so groesstenteils bloedsinnig ist, wie es nunmal ist.
- Und da stimme ich Marcel-Reich Ranicki durchaus mal voll zu -

aum jemand traut sich oder anderen zu, diesen "skandalösen" Ausbruch zu kritisieren.
Was eine Schande ist, - Grass jedoch auch nicht macht.
Ich vermute auch das Marcel Reich-Ranicki erschrocken bis entsetzt ueber die ueberaus bloedsinnige Reaktion auf seinen Ausbruch ist.

Da gibt er sich Muehe, fetzt in seiner ihm eigenen Art, ueber die Medien Landschaft her, keift das sich die Programmchefs nicht auf den "Unser Publikum ist halt bloed" Stuhl zurueck ziehen, und was passiert? Man nickt ihm zu, setzt ein "Aber unser Publikum ist nunmal halt bloed" nach und faltet die Haende in den Schoss.
Er wirkte ja richtiggehend Betroffen als Gottschlack das Ende des Interviews in selig, grausam, bloeder Friedlichkeit ertrank.