Strang Saphir
Kapitel VI – Ein neuer Job


„Schiie schiinicha iuefuheuhechharschi!“
*Sie sind gefeuert!*


Dieser Satz hallte in den Ohren von Joon Yemai noch immer wieder.
Er war gerade mal 21 Jazuras alt, hatte seine Ausbildung als Frachterpilot ohne Fehler bestanden und hatte zwei volle Jazuras für die Firma Redi Flight gearbeitet. Und nun? Nun war er arbeitslos. Aber wieso? Was hatte er getan? Joon verstand es nicht. In seinen Papieren stand, dass die wirtschaftliche Lage so schlecht sei und man sich deshalb von ihm getrennt habe. Aber wenn dem so war, wieso suchte dann Redi Flight nach neuen Piloten? Wieso expandierte die Firma, anstatt zu schrumpfen? Es war Joon ein Rätsel. Hatte es vielleicht damit zu tun, dass er erst kürzlich zum Profijäger aufgestiegen war und damit mehr Credits verdiente? Das war schon eher eine Möglichkeit, aber immer noch kein triftiger Grund für eine Kündigung. Die Kollegen konnten es Joons Meinung nach auch nicht sein. Er verstand sich prächtig mit ihnen und sie ließen beinahe jedes Mal wenn sie sich trafen eine Sause steigen. Blieb eigentlich nur noch mehr, dass die Vorgesetzten ein Problem mit ihm hatten. Und Joon musste zugeben, dass auch er Probleme mit ihnen hatte. Saßen einfach faul auf ihrem Hintern und gaben Anweisungen, die so nie und nimmer funktionierten. Das kam davon, wenn man Leute einstellte, die keine Erfahrungen als Frachtmeister hatten. Aber deswegen gleich jemanden rausschmeißen? Wie er es drehen und wenden wollte, Joon kam bei seinen Grübeleien auf keinen grünen Ast.

Die Bar Funkenregen nahe dem Raumhafen Starburst von New Linema-City, auf dem Planeten Kho’s Heaven im Sektor Heimat des Lichts war ein Treffpunkt für Leute die vergessen wollten. Joon war bis jetzt nur ein einziges mal in seinem Leben hier gewesen und hatte sich geschworen nie wieder in diesen Verschlag zu gehen. Doch nun war er wieder hier und nun wollte er tatsächlich auch vergessen. Die ersten Mizuras vergingen quälend langsam und auch der Alkohol wollte nicht so recht seine Kehle hinunter fließen, brannte aber trotzdem seine Eingedärme raus. Doch nach der dritten Flasche und einem Besuch auf der Toilette fing das Leben an besser zu werden und auch der Alkohol ließ sich besser hinter die Binde kippen. Die Zeit verging und je mehr Alkohol Joon intus hatte, desto weiter weg schienen die Probleme zu rücken.
Ganz vergessen waren sie, als eine rotblonde Schönheit mit grün glänzenden Augen in einem schmalen Gesicht sich neben ihn setzte und eindeutige Avancen machte. Joon war bereits so vernebelt, dass er sogar auf einem Ghok geritten wäre. Lallend nahm er ihr Angebot an sie zu schwängern. Doch kaum hatte er diesen Satz beendet, spürte er auch einen dumpfen Schmerz am Hinterkopf und etwas feuchtes klebriges seinen Nacken hinunter rinnen. Als er sich an die Stelle fasste und seine Hand vor seine Augen hielt, die er zusammen kneifen musste, um etwas zu sehen, erkannte er, dass es sich um sein rotes Blut handelte. Joon drehte sich um und sah einen muskulösen Mann mit verschränkten Amen, der auf seine Reaktion zu warten schien. Undeutlich nuschelte Joon eine Frage, die wohl damit zu tun hatte, was denn die drei behinderten Gorillas von ihm wollten. Keine zwei Sezuras später fand sich Joon am Boden wieder und hatte das Gefühl, dass sich alles um ihn drehen würde. Wankend kam er wieder auf die Beine und sah sich nach den Drillings-Gorillas um, die gerade damit beschäftigt waren den Laden auseinander zunehmen. Eine leere Flasche in der Hand stürzte sich Joon in den Kampf und versuchte einem der Drillinge eins über den massiven Primatenschädel zu ziehen. Seltsamer weise schien sich die Flasche in seiner Rechten die verdreifachen und Joon landete bei jedem der Primitivlinge einen Treffer. Ein Rundumschlag beförderte Joon zwischen umgeflogene Stühle und dort blieb er für eine Weile liegen, um wieder einigermaßen klare Sicht zu bekommen. Der Kampf ging auch ohne ihn weiter.

Als Joon endlich genug hatte, torkelte er hinaus in die frische Frühlingsluft und sah nach oben. Die Trümmer von New Shipfall, eines ehemaligen Planeten, von dem man nicht wusste, warum er explodiert war, der auch wie Kho’s Heaven um die gleiche Sonne kreiste, glitzerten im Sternen übersäten und vor elektrisch geladenen Weltraumnebeln, deren Energien in unregelmäßigen Abständen sich entluden, Himmel. So schön dies auch war, genauso bedrückend konnte dies wirken und für Joon war dieser Anblick ein Äquivalent seines jetzigen Lebens: Ein brennender Trümmerhaufen, der jederzeit explodieren konnte konnte.
Unverrichteter Dinge zog Joon schwankend durch die dunklen Gassen des Raumhafens in Richtung Stadt. An einigen Stellen war die Beleuchtung ganz ausgefallen, während an anderen die Lampen in hektisches Geblinke verfielen. Aus einem nahe liegenden Schatten tauchte eine Person auf und Joon war schon drauf gefasst, dass es sich um einen Schläger handelte, der auf der Suche nach einem leichten Opfer war. Doch als die Gestalt in das flackernde Licht trat, erkannte er den rotblonden Schopf wieder, der ihn den Ärger in der Bar eingebracht hatte.

„Uiomimi miirschi miichha“
*Komm mit mir.*


Joon zögerte kurz, aber als die Frau ihn mit sich zog, hatte er eh keine Kraft mehr um ihr zu widerstehen.

Alles drehte sich. Der Schmerz in Joons Kopf ließ ihn seine Zähne zusammenbeißen. Sein Magen rumorte heftig. Er musste sich übergeben, doch wo war die Toilette? Joon wankte auf Füßen, die sich wie Gallert anfühlten, quer durch eine ihm fremde Wohnung. Als er endlich die Toilette gefunden hatte, war es bereits zu spät. Sein Weg war von Erbrochenem gesäumt worden. Trotzdem beugte er sich über die Toilette, denn ein neuer Reiz kam bereits seinem Hals hoch. Frierend hockte er in einem beinahe steril anmutendem kleinen Raum aus poliertem Metall. Am ganzen Leib zitternd und einen grauenhaften Geschmack im Mund stellte Joon fest, dass er sich nicht mehr unter Kontrolle hatte. Sein Körper machte was er wollte. So zum Beispiel entleerte sich Joons Darm über seinen After in seine Unterhose. Äußerst flüssig und äußerst widerlich.

Eines schwor sich Joon Yemai:
Nie wieder Alkohol!

Eine Ohnmacht hatte Joon alle Sinne geraubt. Er fand sich in einem flauschigen Bett wieder. Es war so herrlich warm und er fühlte sich sehr geborgen. Obwohl sein Magen rumorte, musste Joon nicht aufspringen und zur Toilette hasten. Auch dieser abscheuliche Geschmack in seinem Mund hatte sich gelegt, auch wenn er immer noch etwas bitteres schmeckte. Nichts desto trotz hatte Joon noch Schmerzen und fühlte sich alles andere als topfit. Aus seinem halbdämmrigen Zustand wurde er durch das Zischen einer automatischen Injektionsnadel gerissen. Er öffnete langsam seine Lider und presste sie sogleich beim ersten erblickten Lichtstrahl wieder fest zusammen.

„Iuehurschi eschi chaichha baieschischiechha?“
*Geht es dir besser?*


Diese Stimme. So voller Wärme und Besorgnis. Wem gehörte sie?

„Hai.“
*Hai.*
(japanisch für: ja)

Joon hatte die Handelssprache benutzt, obwohl er verstanden hatte, dass die Frage auf argonisch gestellt worden war. Er war vollkommen verwirrt und dazu trug nicht nur der Alkohol bei, sondern auch die fremde Umgebung und ein Gesicht, das andauernd vor seinen Augen verschwamm. Doch so langsam er auch aus der Dämmerung emporstieg, genauso langsam konnte er Gedanken fassen. Von logischem Denken ganz zu schweigen. Das Gesicht vor seinen Augen verschwand und er musste sich am Bettrücken abstützen, da ihn ansonsten der Schwindel übermannt hätte.

„Chauh huaschirschi vuhiechah Achahuiohuochah iuerschichhauhniuieni. Eini Vuhuuhnichaechha, chaaschischi chauh niochihu chahebaischirschi. Uhnicha eschi ischirschi auhchihu eini Vuhuuhnichaechha, vuhuaschi chauh ini chaechha huerschiiiueni Niaheuhchhaa vuhochahchahbaichhachihurschi huaschirschi.“
*Du hast viel Alkohol getrunken. Ein Wunder, dass du noch lebst. Und es ist auch ein Wunder, was du in der heutigen Nazura vollbracht hast.*


Eine melodische Stimme und ein Kichern, dass einem das Herz höher schlagen lassen konnte. Joon versuchte seine Sicht wieder klar zu bekommen, doch der Erfolg war nur mäßig. Außer dem rosagelb gestreiften Bett konnte er kaum was erkennen und was er erkannte, waren nur schemenhafte Umrisse. Als er nach halt suchte, langte er auf etwas hartes kaltes. Sofort zuckte er zurück, aber dann begriff er, dass das, was dort lag, ein Datenpad war. Er nahm es in die Hand und versuchte zu lesen, was dort stand. Nach mehrmaligen nah an sich ranhalten und weit von sich weghalten, hatte er eine Position gefunden, wo er die Lettern entziffern konnte. Auch wenn es etwas dauerte, bis sein Gehirn sie in die richtigen Reihenfolgen brachte. Schließlich verstand er, was das Datenpad ihm sagen wollte. Es war ein Arbeitsvertrag. Er hatte einen Arbeitsvertrag mit einem dieser profitgierigen Teladi geschlossen.

Was hatte Joon Yemai nur alles in seinem betrunkenen Zustand angestellt?
Die Antworten auf diese Frage würden bald mit unvermittelter Wucht einschlagen.