Kapitel XXV – Das Raumschiff

Die Bio-Techniker hatten bei diesem Schiff ihr Bestes gegeben. Design und Entwicklung waren das Non-Plus-Ultra, was es derzeit im Commonwealth gab. Blau dominierte die Panzerung und silberne Streifen zogen sich wie Adern durch die Außenhaut. Schwarz glitzerte es, wenn das Licht mit der Biohaut spielte. Dare Ba betrachtete die neueste Schiffsklasse im Auftrag der Zuzaimei Incorporated, den Kreuzer. Doch mit diesem Schiff stimmte etwas nicht. Es mutete mehr wie eine Pflanze an, als denn ein Raumschiff, wobei man das relativ sehen musste. Boronische Schiffe waren Wasserlebewesen nachempfunden worden und so hatte man beim Anblick eines ihrer Zerstörer das Gefühl ein einem Hai ähnelndes Schiff vor sich zu haben. Ein langer schlanker Körper mit Auswüchsen, einem Stängel einer Dornen bewährten Rose nicht unähnlich, war der Hauptteil des Schiffes. In ihm befanden sich mehrere Hangars, die Wohnquartiere der Besatzung, Frachträume und diverse weitere Einrichtungen. Das Heck wurde von einer lang gezogenen Konstruktion abgerundet, in der sich viele ovale Formen, Blüten der Katsura nicht unähnlich, geschwungen als Maschinenraum und Antriebssektion präsentierte. Der Bug hingegen unterbrach das Bild einer Pflanze und gab dem Schiff eine absurde Form eines Zwitterwesens aus Tier und Pflanze. Dort, wo sich die Brücke und diverse Kommunikations- und Kontrollelemente bei anderen Schiffen befanden, gab es eine an einen Drachenkopf reminiszierende Wölbung.

„Ziemlich verrückte Bauweise.“
„In der Tat.“
„Hat was surrealistisches.“
„Dem kann ich nur zustimmen.“
„An was Zuzaimei dabei wohl gedacht hat, als er das Design für ein solches Schiff festlegte.“
„Ich glaub er hatte zuviel Raumsprit oder Raumkraut intus.“
„Wahrscheinlich überarbeitet und vor lauter Credits ins Delirium gefallen.“
„Also ich weiß nicht ... gefällt euch das?“
„Nun, es hat was.“
„Unorthodox, aber doch schön anzusehen.“
„Dem kann ich nur beipflichten, zustimmen und es akzeptieren.“

Der Kreuzer schwebte im Sektor Hafen der Königin und die Gruppe um Dare Ba und Hilbilis Destructulus Zuzaimei I. sahen von einer Aussichtsplattform des Atreus Hauptquartiers aus in den freien Weltraum, wo sich der Prototyp vor einem Nebel illuminiert gab.

„Wollen wir es mal genauer ansehen?“ Alle stimmten zu.

Die meisten kannten das Innenleben von boronischen Schiffen, entweder aus eigener Erfahrung oder aus zweiter Hand. Doch was sich ihnen hier bot, war etwas Neues. Nicht nur das Äußere hatte den Anschein einer Pflanze. Auch das Innere ließ einen solchen Eindruck entstehen. Violette Adern zogen sich an blauen Wänden und grünen Türen vorbei, die wie Zellen eines Riesenhaften Blattes wirkten. Man hatte den Eindruck sich im Inneren einer gigantischen Pflanze zu befinden. Als die Gruppe staunend durch die Korridore ging, pulsierten die violetten Adern immer wieder und glühten dabei auf. Obwohl man genau wusste, dass dies alles künstlich hergestellt war und einem nur die Illusion von Leben vermitteln sollte, so taten sich alle damit schwer, dies als nicht lebendig abzutun. Im Gegenteil, je länger man die Details betrachtete, desto fester musste man daran glauben, dass dies alles ein riesiger lebender Organismus war. Die Geräusche, die das Schiff von sich gab, taten das ihrige dazu.

„Unheimlich.“

Die Brücke präsentierte sich in einem Look, der Ästhetik und Effizienz miteinander perfekt in Harmonie verschmolz. Anderes war von boronischen Konstrukteuren nicht zu erwarten gewesen. Berührungen an den Konsolen, Wänden und Türen vermittelten den untrügerischen Eindruck eines perfekt auf sich abgestimmten Systems. Ein Wink von Dare Ba genügte und mitten im Kontrollraum, vor dem Sitz des kommandieren Offiziers, entstand ein Hologramm des Kreuzers, dass man nicht von einem realen Objekt unterscheiden konnte. Staunten jetzt bereits alle, so weiteten sich ihre Sehorgane noch größer, als sie die Daten über dieses erstaunliche Meisterwerk der Schiffskonstruktion zu sehen bekamen.
Über vierzehnhundert Meter lang, war dieses Schiff das längste im Commonwealth. Nicht einmal Zerstörer oder Träger schafften eine solche stromlinienförmige Länge. Der maximale Durchmesser von sechshundert Metern schlug ebenfalls alles bisher Dagewesene. Mit einer Geschwindigkeit von 84 Kilometern in der Sekunde war es für seine Masse relativ schnell. Gehörte damit weder zu den schnellsten, noch zu den langsamsten Schiffe der großen Raumer. Der Frachtraum war auf 22.000 Masseeinheiten getrimmt worden, womit es sogar einige Frachtcontainer tragen konnte, die für den Bau von Stationen vonnöten waren. Neun Hangars, einer sogar für einen Frachter, konnte dieses Schiff sogar eine kleine Staffel an Beschützern tragen. Mit dem Frachterplatz stand sogar die Möglichkeit offen einen Versorger an Bord zu haben. Verteidigen konnte sich der Kreuzer mit seinen vier gestaffelten 5 Giga-Joule Schilden, ebenfalls Prototypen. Der Kreuzer konnte in offensiver Hinsicht ebenfalls einiges Vorweisen, allerdings keine Raketen. Auf diese waren zugunsten anderer Waffensysteme verzichtet worden. Der gesamte Kreuzer hatte 75 Geschütze, wovon sich jeweils fünfzehn am Heck, an Steuerbord, Backbord, sowie an der Unter- und Oberseite des Schiffes befanden. Der Bug war ungeschützt. Diese Kanzeln waren mit Plasma-Impulsgeneratoren, Photonen-Beschleunigerdisruptoren, Phasenlasergeschützen, Singularitäts-Splitterwerfern, Ionenstrahlern, Partikelschleudern und Schockwellenprojektoren, sowie Erschütterungsgeneratoren ausgerüstet worden, ebenfalls Prototypen. Zu guter Schluss kam der Stolz aller Waffeningenieure, die Protonenstrahlkanone. Von dieser mächtigen Waffe, theoretische mächtiger als die Kyonenemitter der Khaak, gab es auf dem Kreuzer nur eine einzige – diese befand sich am Bug. Der Test der PSK stand noch aus. In kleinerem Maßstab war sie erfolgreich getestet worden, doch in dieser gigantischen Form mochte es vielleicht den Kreuzer zerreißen. Mehrere Traktorstrahlen rundeten das Bild eines selbstständig operieren könnenden Großkampfschiffes ab.
Der Wert dieses Schiffes ließ sich garnicht beziffern. Vielleicht mochte er um die 185 Millionen Credits liegen. Genaues wussten wohl nur Zuzaimei und die Werftleitung im nördlichen Nachbarsektor Vergeltung der Königin.
Zuzaimei hatte den Kreuzer nicht als Kampfschiff entwickelt. Diese Schiffsklasse sollte eigentlich als Unterstützung dienen. Als Bergungsschiff für havarierte Raumer, mit einer integrierten Miniaturwerft oder als Hospitalkreuzer, der bei Unglücken Spitzenhilfe leisten konnte, ohne dass Verletzte erst zu einem anderen Planeten oder Raumstation geflogen werden mussten. Es gab viele Möglichkeiten. Nichts desto trotz hatte er sich bei einer Vorführung für die Regierungen des Commonwealth eine militärische Variante konstruieren lassen, um das Potential des Kreuzers aufzuzeigen. Mit diesem Projekt konnte sich Zuzaimei zur Ruhe setzen und seinen lang gehegten Traum, nach Ianamus Zura zu fliegen, erfüllen. Dort würde er endlich seinen Eiälteren, Vater würden die Argonen sagen, wieder sehen und auch seine Familie kennen lernen.

Mit voller Geschwindigkeit schob sich der Kreuzer durch den extra für ihn erstellten Hindernislauf im noch unerforschten Sektor südlich von Menelaus Oase. Die in einem unheilvollem violett glühenden Triebwerke arbeiteten unter Volllast, damit der Prototyp auch wirklich unter extremen Bedingungen gestestet werden konnte. Künstlich aus ihrer Flugbahn geschleuderte Asteroiden kreuzten den Weg des gigantischen Schiffes. Die gestaffelten Schilde glühten unter den Einschlägen von Mikro- und Makrometeoriten auf. Die größeren Brocken, alle nicht unter einem Kilometer Durchmesser, wurden von den verschiedenen Waffensystemen erfasst und warteten auf ihre Vernichtung.
Der erste anfliegende Asteroid wurde von Plasma-Impulsgeneratoren zu Schlacke geschmolzen. Plasmafeuer aus dem Antrieb wurde komprimiert und als kleine grünrot leuchtende Kugel abgefeuert. Wenn diese Kugel, auch Impuls genannt, ihr Ziel erreichte, löste sich das eindämmende Kraftfeld auf und das Plasmafeuer breitete sich schlagartig aus.
Die Phasenlasergeschütze schalteten sich auf den nächsten Asteroiden auf. Dieser wurde mit einem veraltetem 125 Mega-Watt Schild präpariert. Wissenschaftlich gesehen wurde der Laserstrahl des PLGs kurzzeitig aus der materiell-energetischen Phase gebracht, was es ihm erlaubt jegliche Art von Materie und Energie zu durchdringen. Und in der Tat, der Laser ließ sich nicht vom Schild aufhalten und durchschlug den Asteroiden.
Mehrere kleine Asteroiden stellten den Singularitäts-Splitterwerfer vor eine harte Probe. Eigentlich war diese Waffen als Abwehrwaffe gegen kleinere Schiffe wie Jäger und Bomber entwickelt worden. Der SSW erzeugte mikroskopisch kleine schwarze Löcher, die sich im All verteilten und zu makroskopischer Größe anschwollen, um dann gleich wieder zu implodieren. Durch diese Verzerrungen von Raum und Zeit sollte praktisch jedes kleinere bis mittlere Objekt gleichzeitig gedehnt und zusammengepresst werden. Wie zu erwarten war, hatte der Singularitäts-Splitterwerfer keine Probleme damit die anfliegenden Asteroiden zu vernichten. Auch wenn es aufgrund deren Masse etwas länger dauerte. Gegen Großkampfschiffe schien der SSW in dieser Hinsicht dann doch Probleme zu bekommen.
Die Ionenstrahler waren eine Waffe die extra gegen mittlere bis große Kampfschiffe entwickelt worden waren. Mehrere hauchdünne Ionenimpulse wurden gestreckt und gebündelt, um einen speerartigen Energiestrahl zu konfigurieren, der an Riechweite und Stärke seinesgleichen suchte. Das besondere an dieser Waffe war, dass der Ionenstrahl konstant andauerte und nicht unterbrochen wurde. Je länger der IS feuerte, desto größer wurde der Schaden den er anrichtete.
Der Erschütterungsgenerator stellte eine Art Präzisionswaffe dar. Eine schmale und sichelförmige Gravitationswelle wurde vom EG generiert, die dann den anfliegenden Asteroiden in zwei Hälften zerschnitt.
Die Partikelschleuder stellte zwar keine Präzisionswaffe dar, fiel aber unter die Spezialwaffen. Die PS konnte verschiedene Partikelarten zusammenfassen und diese auf ein gegnerisches Schiff schleudern. Je nach Zusammensetzung der Partikelwolke interferierte diese mit den Schilden, dem Antrieb, den Waffen oder anderen Systemen eines gegnerischen Schiffes.
Bei diesem Test blieb der Schockwellenprojektor außen vor, denn der SWP war eine sogenannte psionische Waffe. Ihre Funktion bestand darin den Piloten beziehungsweise die Crew eines Schiffes durch psionische Strahlung, die ausschließlich auf die Psyche wirkte und das Schiff vollkommen intakt ließ, zu verwirren. Die Effekte des Schockwellenprojektors reichten bei diversen Tests von Desorientierung über Schwindel und Übelkeit, bis hin zu zeitlich begrenztem Wahnsinn.
Ebenfalls außer Konkurrenz lief der Photonen-Beschleunigerdisruptor. Der PBD wirkte sich auf die Sensoren und Zielerfassung aus. Durch perspektivische Verzerrungen ‚fanden’ gegnerische Schiffssensoren das anvisierte Ziel an einer anderen Stelle, als es sich tatsächlich befand.
Die Protonenstrahlkanone war das letzte Waffensystem, dass getestet werden sollte. Dazu ging der Prototyp eines Kreuzers zwanzig Kilometer vor einem Miniplanetoiden in Stellung. Die PSK lud sich auf und dies machte sich als ein orangefarbenes Flackern im ‚Maul des Drachenkopfes’ bemerkbar. Die ‚Zähne des Drachen’ stellten jeder für sich einen Protonengenerator dar, der ein Feld bildete. Das Maul an sich diente als Dämpfungsfeld, dass den Fluss kontrollierte. Als sich genügend Energie aufgebaut hatte, das ganze Maul glühte orange, schoss eine mächtige Lanze dem Miniplanetoiden entgegen und zerschmetterte ihn sofort. Für Angriffe auf Planeten oder Stationen war diese Waffe das Non-Plus-Ultra. Schiffe könnte man damit auch beschießen, doch der Strahl war, obwohl sehr lang, ziemlich langsam. Wohl jedes Schiff, egal wie langsam, hätte dem ausweichen können.

Der Test war vorbei und der Prototyp des Kreuzers machte sich auf den Weg zurück zur Werft im Sektor Vergeltung der Königin. Doch vorher musste er noch einen kleinen Stopp am Atreus Hauptquartier in Hafen der Königin machen, um seine Gäste abzuliefern.
Plötzlich tauchten überall im Schiff holographische Anzeigen auf. Aber niemand konnte sich entsinnen diese aktiviert zu haben. Eine Fehlfunktion?