Bademeister, Deine Antwort - Deinen Beobachtungen stimme ich übrigens fast uneingeschränkt zu - geht größtenteils etwas an meiner Kritik vorbei. Das Klischee des Edlen Wilden und das Thema 'technische Zivilisation versus Naturvölker' oder wie auch immer man das nennen möchte, was Du da beschreibst, ist nämlich nicht identisch mit dem Klischee des 'going native', auch wenn da eine gewisse Verwandtschaft besteht und diese Sachen oft gemeinsam, also in denselben Geschichten, auftauchen. Das 'going native'-Klischee/Erzählmuster dreht sich aber hauptsächlich um Identität - und muß nicht immer mit etwas Zivilisationskritischem verbunden sein. Beispiel: Farscape. John Crichton ist auch jemand, der in einer fremden Welt zum Quasi-Eingeborenen wird und schließlich merkt, daß er nicht mehr in seine ursprüngliche Welt passt - aber die Welt, in die er gerät, ist kein naturmystisch verklärter Gegenentwurf zu unserer. Und auch Dune läßt sich nicht wirklich 1:1 als Kritik an einer technischen Zivilisation lesen. Die Fremen benutzen ja z.B. unter Pauls Führung Atombomben oder so. Nicht unbedingt so ganz typisch für 'Edle Wilde'. ;-)
Meine oben gestellte Frage, weshalb uns 'going native'-Geschichten anscheinend so faszinieren, bezog sich nicht nur auf die klassische Version, wie wir sie in Avatar oder Der mit dem Wolf tanzt finden, sondern auf den größeren Komplex, der auch so Sachen wie Farscape mit einbezieht. Das war es auch, was ich meinte, als ich sagte, daß ich nicht glaube, daß die 'white guilt fantasy' der einzige Faktor ist, der unsere Faszination für 'going native'-Storys erklärt. Ich bin der Meinung, daß ein wichtiger Teil der Faszination eben gerade in der Auseinandersetzung mit Identität liegt, die diese Geschichten ermöglichen, und nicht unbedingt nur in Schuldbewältigung oder Machtfantasien.
Problematisch finde ich es nur, wenn - eben wie Avatar - eine Geschichte sehr, sehr deutlich als guilt und power fantasy zu lesen sind. Witzigerweise ist sich Cameron der Problematik ja auch bewußt, meint aber anscheinend (okay, das habe ich jetzt aus zweiter Hand, einer Zusammenfassung eines Interviews), daß die Problematik nicht mehr existiert, wenn die Eingeborenen blau sind statt irgendeiner erdtypischen Hautfarbe. Aber es geht um das grundsätzliche paternalistische Denkmuster dahinter, und insofern bleibt es, streng genommen, problematisch.
Was - ich wiederhole mich - nicht heißt, das ich Cameron runtermachen möchte oder daß der Film Mist ist. Nur eben, hm, problematisch, in dieser Hinsicht.
@cornholio: Tja, wenn's nicht an der CGI liegt, dann muß es wohl an Sam Worthington liegen... ;-)
Vielleicht sehe ich mir den Film doch nochmal an. Mal sehen, vielleicht seh ich ja beim zweiten Mal die fehlenden Entwicklungsmomente und Nuancen. Vielleicht war ich zu erschlagen von der Grafik?
Aber an sich bin ich nicht so schlecht darin, Nuancen zu sehen. Hmm.
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