Ein interessanter Artikel (Kolumne) zum Thema Half-Life 2 und Steam gibt es auf der Website von Krawall Gaming Network:

Steam – legales Raubkopieren?

Nun ist es also soweit – Weihnachten steht vor der Tür. Aber für die meisten PC-Spieler ist bereits fünf Wochen vorher Bescherung, nämlich am 16.11. Oder ein paar Tage früher, wer weiß dass schon im Vorfeld so genau. Dann steht „Half-Life“ im Laden. Aber es steht nicht nur im Laden, nein, bereits seit Tagen ist es als Kopie im Netz zu haben. Mit „Half-Life 2“ steigt Valve groß in die Online-Distribution ein. Im ersten Moment mag dass toll erscheinen: Mann hat das Spiel definitiv als einer der ersten, braucht nicht aus dem Haus, muss keinen Postboten abpassen, muss sich keine Gedanken machen, wo man diese voluminöse DVD-Box lagert und hat keinen Ärger mit dem Wechselgeld. Insofern gibt es natürlich Pro-Steam Argumente - vor allem, wenn man eine Breitbandanbindung hat, und die dazupassende Flatrate.

Das haben so ziemlich alle CS-Spieler. Aber schauen wir uns einmal die negativen Aspekte an: Verschlüsselt schlummern nach dem Download 3,5 GB Daten auf Eurer Festplatte, die auf einen bestimmten Stichtag warten, um aktiviert zu werden. Könnte bis auf die Größe auch die Kurzbeschreibung eines Virus sein, oder? Mal ganz abgesehen von den ganzen technischen Problemen - was passiert, wenn ich das Spiel erneut installieren möchte und Steam ist offline? Das Microsoft seine Aktivierungsserver abschaltet ist noch unwahrscheinlicher, und bereits dort gibt es Kunden, die sagen, Sie kaufen das Produkt und installieren eine gecrackte Version, weil Sie keine Lust auf die Prozedur haben. Nun kommen wir zum lustigen Punkt: Die Microsoft-Aktivierung erfolgt - zumindest telefonisch - vollkommen anonym. Selbst wenn jemand in das Unternehmensnetzwerk eindringt, so könnte er mit den Daten nichts anfangen. Bei Steam hingegen ist die Aktivierung mit Mail- und Postadressen, sogar Kreditkarteninformationen verknüpft. Und – äh – wir reden von einem der ersten Entwickler auf der Welt, die es (angeblich) geschafft haben, sich eine Version des Games aus dem Firmennetzwerk stehlen zu lassen. Wenn das kein Gefühl von Sicherheit gibt.


Rohlinge und Blauäugikeit

Ich möchte auf die Überschrift zurückkommen – legales Raubkopieren? Nun, es gibt zwei Gründe, wie ich darauf komme: Zum einen ist dass Look & Feel einer Steam-Installation ähnlich einer Raubkopie aus dem Netz. Ich gehe auf eine Seite, klicke einen Link an. Dann wächst nach und nach mein Downloadbalken, irgendwann habe ich mein File auf der Platte, installiere es und mache vielleicht noch ein Backup auf einem mit Filzstift beschriebenen Rohling. Der einzige Unterschied ist doch, dass ich vorher Kreditkarteninformationen eingegeben habe und mir jemand gesagt hat „Klar, das ist legal, was wir hier machen“. Und dann kommt der Freund vorbei und fragt „Geil, Half-Life 2, zeig’ doch mal die Packung“ - das ist dann der Moment, wo selbst der legale Käufer nur eine Schulhof-DVD vorweisen kann. Das war ein Aspekt – wenn in meinen Augen auch der kleinere. Ich denke, dass dies die gesellschaftliche Anerkennung von Kopien eher fördert als mindert. Der zweite Punkt ist meiner Meinung nach wesentlich gravierender. Warum sind Raubkopien eigentlich so verwerflich? Nun, das liegt daran, dass man einer ganzen Wertschöpfungskette das Geld vorenthält, was ihr eigentlich zusteht. Entwickler, Publisher, Handel, Produktion – all diese haben Geld investiert und bekommen nichts zurück. Und ganz ähnlich schaut es bei Steam aus.


Mal abgesehen vom Entwickler, der jeden Cent bekommt, gehen alle anderen leer aus. Natürlich kann man sagen „Hey, wenn der Entwickler neue Distributionswege ausprobiert, dann muss der Rest sich halt anpassen“. Und damit hat man sogar Recht. Aber dieses Argument gilt nur, wenn von Anfang an mit offenen Karten gespielt wird. Wer auch immer nach „Half-Life 2“ mit Valve zusammenarbeitet, der weiß, was ihn erwartet. Vivendi wusste es nicht, als vor ca. fünf Jahren der „Half-Life 2“-Vertrag geschlossen wurde. Dort war Valve so clever, sich das Recht der Online-Distribution einzuräumen. Aber mal ehrlich – wie sah eine Online-Distribution damals aus? Es gab eine Webseite, wo man seine Adresse für den Versand der Boxed-Version hinterlassen konnte. Steam? DSL? Alles Zukunftsmusik. Vermutlich hat Valve damals einfach mehr Sinn für Übermorgen gehabt als Vivendi. Auf alle Fälle haben Sie dann angefangen und Steam entwickelt. Wir erinnern uns – die ersten Versuche waren desaströs. Nichts funktionierte. Aber Valve ließ nicht locker und verstand es perfekt, die CS-Community als Versuchskaninchen zu missbrauchen. Damals hatten viele noch nicht geahnt, was auf sie zukommt. Und irgendwann kam dann der Punkt, an dem man Steam haben musste – dieser war bei „CounterStrike: Source“ erreicht. Ein grandioser Schachzug: Ich gebe einen kleinen Teil des Produktes kostenlos frei, wenn der Kunde sich damit an mich bindet. Hat was von subventionierten Handys.


Täter und Opfer

Was ist in den fünf Jahren eigentlich passiert? Nun, ich gehe davon aus, dass Valve an Steam weiterentwickelt hat und erst danach den Feinschliff für „Half-Life 2“ ansetzte. Ich habe das Produkt letzte Woche gesehen – es ist grandios. Ich kann mir aber kaum vorstellen, dass fünf Jahre Arbeit drinstecken. Und so vermute ich, dass auch die Releaseverzögerung von einem Jahr eher dazu diente, die Steam-Basis weiter auszubauen. Denn jeder verteilte Steam-Account steht für einen potentiellen Kunden. Das wiederum heißt, dass pro verkauftem Produkt nicht 10 ¤ bei Valve landen, sondern 30 ¤. Ist das nicht ein wenig schlechte Presse und Häme wert? Wie bereits erwähnt, bekommt Vivendi keinen Cent aus der Online-Distribution. Andersrum beteiligt sich Valve in keinster Weise an Marketing- oder PR-Kosten. „Half-Life“ wurde seinerzeit komplett von Vivendi finanziert. Bedeutet: Alle Kosten, die nach der Programmierung entstehen, bleiben bei Vivendi – alle Einnahmen gehen zu Valve. Nennt man dass einen fairen Deal? In meinen Augen nicht. Natürlich ist kein Konsument ein Wohlfahrtsunternehmen. Man kann nicht verlangen, dass Ihr in den Laden geht, und dort kauft, nur weil Ihr Mitleid mit dem Händler habt. Jedoch muss man die langfristigen Perspektiven sehen. Was wird passieren? Was, wenn Valve z.B. auf die Idee kommt, dass nächste „Counter-Strike“ zu vermieten? Mit einer Onlineaktivierung ja kein Problem.

Von den Problemen mal abgesehen, dass viele Publisher sich hauptsächlich mit einigen Spitzentiteln über Wasser halten. Take 2 ohne „Grand Theft Auto“? Activision ohne „Doom“? Schwer vorstellbar. Wenn diese garantierten Verkaufsbringer nun wegfallen, dann wird die Innovation noch weiter eingeschränkt. Dann wird jeder Publisher ein zweites Electronic Arts, das primär von Sequels lebt. Wenn man das alles betrachtet, dann kann man es eigentlich mit einem Satz zusammenfassen: Valve hat alle verarscht. Den Publisher, den Kunden, die Presse – und das nur, um ein besseres Geschäft zu machen. Und alleine aus dem Grund sollten wir am 16.11. in den Laden gehen und das Produkt dort erwerben – denn spielen muss man diesen Titel einfach.

Quelle: Krawall Gaming Network