Habe den Film Samstag abend gesehen und gestern gleich die Graphic Novel verschlungen. Ein Freund hatte mich vor ca. nem Jahr angefleht unbedingt den Comic vorher zu lesen, da der Film ohnehin nie so eine Komplexität und Wirkung entfalten würde können bla bla bla... er hat mir schon viele gute Ratschläge gegeben, hier bin ich aber wirklich froh, dass ich ihm nicht gefolgt bin. Ich bin eigentlich gänzlich ungespoilert und ohne Erwartungen in den Film gegangen, hatte noch nicht mal einen der Trailer gesehen. Und bin froh darüber, da ich den Film so auch wirklich als Film genießen und bewerten konnte und nicht ständig drüber nachdenken musste was nun fehlt, verändert wude etc.
Außerdem ist solch eine Verfilmung immer spannender, wenn man die Story noch nicht kennt. Bei Herr der Ringe, so gut mir die Trilogie auch gefallen hat, hab ich mich danach verflucht kurz vorm Kinostart zu "Die Gefährten" die Romane gelesen zu haben - um so dankbarer bin ich hier, dass ich diesen Film so unvorbereitet wie möglich sehen konnte. Die Graphic Novel erst im Anschluss zu lesen hat dem Film eine weitere Schicht verpasst, während ist den Film wohl sonst nur als verminderte/abgespeckte Version des Comics empfunden hätte. Der Film ruiniert einem die Graphic Novel nicht, auch mit Filmkenntnis gibt es dort noch genug zu entdecken, andersrum siehts schon problematischer aus, da wohl jeder mindestens einen Moment im Comic finden wird, den er gerne im Film gesehen hätte und den er vermissen wird.
Auch ohne jegliche Vorkenntnisse kam ich eigentlich ziemlich gut in die Story rein und hatte trotz ihrer Kompexität kein Problem damit ihr zu folgen. Gilt aber sicher nicht für jedermann. Einige könnten den Film folgen werden es aber wohl nicht wert finden es zu tun, und andere werten ein hirnloses Actionspektakel erwarten, den Kinosaal während der Pause mit drei großen Fragezeichen über ihren geistig minderbemittelten Köpfen verlassen und nicht mehr zurückkehren, da alles was die Komplexität von "Spongebob Schwammkopf" übersteigt ihren verkümmerten Intellekt bereits überfordert.
Bevor ich zu meiner Meinung zum Film komme sei festgehalten, dass die Reaktionen auf "Watchmen" soweit ich das mitbekommen habe eher durchwachsen bis verhalten waren. Watchmen ist halt kein Film für die Masse, dafür ist er viel zu anspruchsvoll. Die Trailer, die ich mir mittlerweile angesehen habe, haben wieder einmal einen völlig falschen Eindruck vermittelt, um möglichst viele Leute am Startwochenende ins Kino zu locken. Wo "The Dark Knight" auf den Anfangs-Hype durch positive Mundpropaganda aufbauen konnte, werden viele Watchmen nach unqualifizierten Meinungen in ihrer näheren Umgebung meiden, und das Einspielergebnis wohl ziemlich schnell in den Keller rasseln - leider. Viele fanden den Film langweilig und zäh, einige meinten sogar er hätte keinen Inhalt, was ungefähr so ähnlich ist als würde man über House of the Dead sagen er hätte keine miesen Szenen.
Aber ok, dass nicht jeder mit dem Film was anfangen kann, verstehe ich. Dass man das Setting nicht glauben kann, sich nicht einfühlen kann, die mangelnde Action kritisiert, von der Komplexität überfordert wird oder halt eifnach den aufgrund des vielen Inhalts doch eher langsamen Erzählstils - finde zwar schade, wenn man damit nichts anfangen kann, war aber nachvollziehbar. Am schlimmsten fand ich aber die vorpubertären (wenn auch dem pubertären Alter eigentlich schon entwachsen, zumindest ihrem Aussehen nach) Jungs neben mir, die jede Gewaltszene mit "Boa, wie geil ist das denn?!?!" kommentieren mussten, ständig über Jon's Johnnie schwafelten, lauter völlig aus der Luft gezogene Bezüge fanden (in der Szene in der Night Owl vor seinem Kostüm steht waren sie echt der Ansicht er würde davor onanieren) und einfach vieles ach-so-witzig und komisch fanden, das nicht komisch war und auch nicht komisch gedacht war. Ach, wenn es doch nur schon Maschinen gäbe, mit denen man das GEISTIGE Alter messen und dementsprechend einen Detektor vor den Eingang zum Kinosaal platzieren könnte...
Eine der größten Stärken des Films ist die Musik, egal ob der an die 80er-erinnernde Score von Tyler Bates (teilweise erinnerte seine Komposition an Blade Runner - und das meine ich durchaus als Kompliment) oder die geniale Musikauswahl, von "The times are a-changing" (der eine der besten Introsequenzen der Filmgeschichte untermalte - könnt ihr euch übrigens [noch] hier online ansehen) über "All along the watchtower", "The Sound of Silence", Mozarts "Ritt der Walküren" und ja, sogar "99 Luftballons". Auch "Hallelujah", den einige in der Sexszene unpassend fanden, fand ich gelungen. Ich fand es eine wunderschöne, einerseits erotische und andererseits romantishe Sexszene, die durch die musikalische Untermalung meines Erachtens aufgewertet wurde.
Nicht minder genial ist die Optik. Snyder hält sich, wie schon bei 300, stark an die Vorlage und schafft damit einen der optisch imposantesten Filme der jüngeren Kinogeschichte - die "Herr der Ringe"-Filme eingerechnet. Sicherlich profitiert er dabei auch von der grandiosen Arbeit in der Graphic Novel, dennoch verleiht er den Bildern aus dem Comic durch seinen ganz eigenen, persönlichen Stil eine neue Qualität und einen Glanz, den sie durch einen anderen Regisseur nicht erhalten hätten. Mir persönlich gefällt sein inszenatorischer Stil, mit dem Einsatz von Zeitlupen in wichtigen Schlüsselmomenten (und nicht nur der Action) sehr gut. Ich mag es, längere Einstellungen zu haben und der Action auch folgen zu können, statt 5 Schnitte pro Sekunde und eine Kamera die so nah an die Protagonisten heranzoomt dass man die Popel in ihren Nasen zählen kann.
Auch die schauspielerischen Leistungen sind für mich über jeden Zweifel erhaben. Aus dem Ensemble stechen dabei für mich - wie für viele andere - Jackie Earle Haley und Jeffrey Dean Morgan heraus. Auch die von vielen gescholtene Malin Akerman fand ich wirklich gut - aber viele störten sich ja an ihrem Akzent, was in der Synchro natürlich wegfiel. Apropos Synchro, soweit man das ohne Kenntnis des O-Tons beurteilen kann fand ich diese übrigens herausragend. Alle Figuren hatten meines Erachtens (auch nach Kenntnis des Comics) passende Stimmen, wobei ich insbesondere die von Rohrschach und Dr. Manhattan sehr gelungen fand.
Was kann man zur Handlung des Films groß sagen? Genial. Ich liebe SF, ich liebe Dystopien, ich liebe Was wäre wenn-Gedankenexperimente. "Watchmen" ist all das und noch viel mehr. Wie "The Dark Knight" zuvor hebt er mit seiner Komplexität, seiner Vielschichtigkeit und seinem Tiefgang das Genre der Comicfilme auf eine neue, nie geahnte Stufe, und schlägt dabei doch eine ganz andere Richtung ein. Wo "Dark Knight" so realistisch wie möglich gehalten war, geht "Watchmen" genau den entgegengesetzten weg und ist viel mehr SF- als Comicfilm, und schon allein deshalb wohl nicht für die Masse geeignet. Ich liebe die Vielschichtigkeit der Figuren, wie problemgebeutelt sie sind. Helden, von denen einige wahrlich keine Helden sind. Nicht einfach nur Helden mit Fehlern, sondern Anti-Helden, wenn nicht gar schon Bösewichte, von denen man eigentlich genau weiß, dass man sie nicht guten Gewissens gut finden kann, sich aber nichtsdestotrotz dabei ertappt sie irgendwie zu mögen - ja selbst den Comedian.
Die ersten zwei Stunden des Films waren absolut genial und insgesamt gesehen das Beste, was ich dieses Jahr bisher sehen konnte. (ev. mit Ausnahme der letzten 15 Minuten von "Slumdog Millionaire"). Die letzte halbe Stunde - selbst ohne Kenntnis des Comics konnte sie mich schon nicht mehr ganz so überzeugen, und hinterließ einen leichten bitteren Nachgeschmack, so begeistert ich sonst auch war, der dann auch dafür verantwortlich ist dass ich ihn vorerst mal hinter "Slumdog Millionaire" (aber vor "The Wrestler") einreihen muss.Achtung Spoiler!
Trotz dieser Schwächen ist "Watchmen" wieder mal einer jener Filme, der wenn er gut ist SO gut ist, dass ich vorerst trotzdem nicht umhin kann ihm die Höchstwertung zu verleihen. Er mag nicht über die volle Laufzeit hinweg perfekt sein, aber wenn er es ist, dann auch wirklich. Ein Film, den ich mir sicherlich noch 1x im Kino anschauen werde und wo ich mich jetzt schon auf den Blu Ray-Release (und zwar schon allein von der Kinofassung, gescheige denn dem Director's Cut) freue.
10/10 Punkten
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