Ich empfehle Euch einmal dieses exzellente Essay zum Serienfinale zu lesen:
Doomed to Repeat It: Battlestar Galactica, Thoughts at the End
Die Autorin fasst einige Hauptkritikpunkte die ich mit ihr teile, noch einmal anschaulich zusammen.
Der technologiefeindliche Schluss ist, hart ausgedrückt, völlig unglaubwürdiger Mummenschanz - und die berühmte suspension of disbelief hätte schon bei "echten" Science Fiction-Serien Schwierigkeiten, Serien die sich nicht ihrem Realismus und ihrer Gegenwartsbezogenheit rühmen wie es Galactica tut. Hier wird sie noch einmal auf einen neuen Höhepunkt getrieben.
Galacticas grundlegendste Schwäche, die Entscheidungen der Elite (Galactica-Offiziere, Roslyn & verbündete Cylon-Anführer) in einen logischen und nachvollziehbaren Kontext zu den anderen 40-50.000 Mitgliedern der menschlichen Restzivilisation zu setzen, wurde hier einmal mehr offenkundig.
Man lasse sich das auf der Zunge zergehen: Über fünf Jahre beschäftigten wir uns mit der Frage, wie die menschliche Zivilisation nach dem Holocaust weiterbestehen wird, welche Lehren die Überlebenden aus den Fehlern der Vergangenheit ziehen werden. Die dummdreiste Antwort in bester new age Rhetorik bekommen wir in der letzten halben Stunde der Serie in wenigen banalen Nebensätzen geliefert: Eine neue Siedlung zu gründen ist doof, fällt Herrn Adama ein, hat ja schon in New Caprica nicht funktioniert. Nein Leute, der Berg ruft! Wir müssen zurück zur Natur, Technologie ist böse und grün ist gut - so klappt's auch mit Love, peace and harmony. Also verzichten wir mal eben auf unsere Technologie, auf medizinische und kulturelle Errungenschaften, fliegen unsere gesamte Flotte in die Sonne und machen uns ein laues (!) Leben als Neanderthaler. Ja, so eine Lebenserwartung von 20-30 Jahren ist schon was Tolles. Und natürlich sind alle (!) 38.000 Leute, alle Besatzungen der dutzenden kolonialer Schiffe damit einverstanden in Zukunft ein Leben als Höhlenmensch in feindlicher Umwelt zu führen. Wer fände es nicht toll die Hälfte seines Nachwuchses vor dem Erwachsenenalter an Pocken, Grippe und andere tolle Wunder der Natur zu verlieren?
Unglaubwürdiger geht es nicht mehr, denn natürlich würde niemals jeder - geschweige denn eine Mehrheit - eine derartige Auslöschung der eigenen Zivilisation und Verringerung der Überlebenschancen so einfach hinnehmen.
Die Autoren haben sich aus akuter Ideenlosigkeit dazu entschieden, lieber ein paar verbrämte Öko-hippie-weisheiten aufzutischen statt uns, wie man es von guter Science Fiction erwarten kann, einen glaubwürdigen und interessanten Zukunftsentwurf für die Colonials zu präsentieren. Sie nehmen damit dieselbe billige Abkürzung, mittels der sie sich auch schon bei Karas Verklärung zum göttlichen Engel um echte Antworten gedrückt haben.
Das ist schade, denn das Ende hätte die Möglichkeit gegeben, einige strukturelle Defizite der Serie gerade zu biegen und einen stimmigen Abschluss zu bieten. Zur Mitte der Episode war ich durchaus noch hoffnungsvoll, da der greifbare Frieden zwischen den Colonials, den Final Five und Cavil durchaus ein paar interessante Optionen geboten hätte. Selbst so ein happy go lucky Kriegsende à la Deep Space Nine wäre allemal akzeptabler gewesen als dieser Neanderthaler-Schmu.
Ja, im Rückblick kann ich schließen, dass ein von vorne herein verfasster Handlungsbogen à la Babylon 5 nicht nur sinnvoll, sondern auch notwendig gewesen wäre. Ronald D. Moore bleibt zu viele Antworten schuldig, und hat sich an der Herkulesaufgabe ein Universum politisch und soziokulturell realistisch zu beschreiben, leider verhoben. Interessante Charaktere, streckenweise gute Dialoge und brilliante Actionszenen sind eben nicht alles - das Primat jeder guten Erzählung ist und bleibt, wie auch schon die von mir eingangs verlinkte Autorin feststellt, der Handlungsbogen.
Ich bete darum, dass LOST nicht dasselbe Schicksal ereilt an seiner eigenen Komplexität zu ersticken.
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